Sanierung oder Neubau: manipulierte Ausgangslage

Der Schwindel vom «baufälligen» Theater

Pietro Cavadini

Das Luzerner Theater sei baufällig, lamentieren unisono Intendantin Karr, Theaterpräsidentin Meyer und all die anderen Promotoren eines neuen Prestigebaus an der Reuss. Doch stimmt das eigentlich? Wie baufällig ist das Theater wirklich?

Ein Gebäude gilt als baufällig, wenn es aufgrund von Schäden, Verschleiss oder Vernachlässigung in einem Zustand ist, der seine Stabilität und Sicherheit gefährdet. Solche Gebäude weisen typischerweise gravierende strukturelle Mängel auf, die eine direkte Gefahr für Menschen oder die Umgebung darstellen können.

Ist das beim Stadttheater der Fall? Hat ein Statiker oder Bauingenieur die Tragfähigkeit der Böden und Decken analysiert und ein Gutachten erstellt? Musste man Notstützen einbauen, um einsturzgefährdete Decken oder Wände zu stabilisieren?

Sofort schliessen

Ist ein Theater baufällig, muss man es sofort schliessen. Ein baufälliges Gebäude erfordert schnelles Handeln, um Mensch und Umwelt zu schützen. Das verlangt auch das Gesetz. Paragraph 145 des Luzerner Bau- und Planungsgesetzes (BPG) schreibt vor: «Alle Bauten und Anlagen müssen in Konstruktion und Material die für ihren Zweck notwendige Festigkeit und Feuersicherheit aufweisen. Sie sind so … zu unterhalten, dass weder Menschen noch Sachen gefährdet werden. Insbesondere haben sie genügende Sicherheit für … Benützerinnen und Benützer zu bieten.»

Sind aufgrund dieser Vorschriften die kantonalen und städtischen Baubehörden aktiv geworden und haben von den Verantwortlichen des Theaters Abklärungen, Berichte, Sanierungen oder Schliessungen verlangt? Schliesslich ist ihnen die Klage vom angeblich «baufälligen» Theater sicher auch schon zu Ohren gekommen.

Kann ins Geld gehen

Nichts hört man nicht. Dabei kann ein «baufälliges» Theater für den Eigentümer ganz schön ins Geld gehen. Nicht nur wegen der Sanierungspflicht, sondern auch wegen der Haftung für eventuelle Schäden. So sagt uns das Obligationenrecht in seinem Artikel 58 «Der Eigentümer eines Gebäudes oder eines anderen Werkes hat den Schaden zu ersetzen, den diese infolge von fehlerhafter Anlage oder Herstellung oder von mangelhafter Unterhaltung verursachen.» Und Artikel 59 gibt auch Besuchern des Theaters eine Handhabe: « Wer von dem Gebäude oder Werke eines andern mit Schaden bedroht ist, kann von dem Eigentümer verlangen, dass er die erforderlichen Massregeln zur Abwendung der Gefahr treffe.»

«Nicht auf die Goldwaage legen»

Was allerdings das Luzerner Theater von Vorschriften und Regeln hält, hat die umstrittene Theaterpräsidentin Anja Meyer an einem Podium klar zum Ausdruck gebracht: «Es geht immerhin um die Existenz unseres Theaters – da muss man nicht alles auf die Goldwaage legen.»

Weder vom Theater noch von den Behörden sind also – ausser einem Bild von einem Riss in einem Boden – Belege für die Baufälligkeit zu erhalten. Aber auch die Zahlen sprechen gegen die angebliche Baufälligkeit.

Das Luzerner Theater verfügt über einen sogenannten Erneuerungsfonds. In diesen Fonds zahlen jährlich Stadt und Kanton Luzern einen Betrag in der Höhe von 1,5 Prozent des Gebäudeversicherungswertes ein. Er soll sicherstellen, dass die Gebäude betriebsbereit bleiben und Erneuerungen und Instandsetzungen vorgenommen werden können.

Es ist also davon auszugehen, dass die Verantwortlichen diesen Fonds, angesichts des «baufälligen» Zustandes des Theaters, regelmässig beanspruchen und leeren. Pustekuchen. Ende Saison 2024 enthielt der Fonds eine Summe von 2’018’351 Franken. Über 2 Millionen Franken Positive im Erneuerungsfonds bei einem baufälligen Haus. Ja, wie geht das denn? Ist das mit der Baufälligkeit vielleicht nur ein Schwindel, um die Notwendigkeit eines Theaterneubaus zu stützen?

Ein baufälliges Theater mit Millionen auf der hohen Kante? Vielleicht ist ja nicht das Gebäude marode, sondern nur die Argumentation der Neubau-Befürworter.