Wenn "Fachleute" ins Leere argumentieren
Auch Plan B ist gescheitert
Pietro Cavadini
Drei «Experten» und 83 Prozent einer redaktionellen Seite bietet die Luzerner Zeitung (LZ) auf, um den Luzernerinnen und Luzernern zu versichern, dass das geplante neue Theater keine «Bausünde» sein werde. Der Versuch ist kläglich gescheitert. Schauen wir uns die «Experten»-Argumentation doch etwas näher an.
Die drei «Experten» sind Patrick Ernst, Präsident des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins SIA Zentralschweiz, Gerold Kunz, Präsident des Bundes Schweizer Architekten BSA Zentralschweiz, und Dieter Geissbühler, Leiter Fachgruppe Architektur und Landschaft beim Landschaftsschutzverband Vierwaldstättersee LSVV. Ihre Argumentation geht folgendermassen:
- Das Projekt sei in einem mehrstufigen, offenen und anonymen Verfahren mit einer hochkompetenten Jury ausgewählt worden. Unterschlagen wird dabei die breite Kritik in Architektenkreisen und in der interessierten Öffentlichkeit am Wettbewerb und seinem Ergebnis. Einer der wenigen ausgewiesenen Theaterexperten in der Jury war Jörg Friedrich, Professor für Entwurf und Architekturgeschichte an der Universität Hannover. Er fand deutliche Worte an die Adresse der Jury: «Sagen Sie, sind Sie eigentlich noch bei Verstand, wenn Sie ein solches Programm an einem solchen Standort unterbringen wollen?»
- Das überarbeitete Projekt stärke die Bahnhofstrasse in ihrer ursprünglichen Funktion, behauptet das «Experten»-Team weiter. Wissen die Experten eigentlich, wovon sie sprechen? Die Bahnhofstrasse war eine der ersten Strassen, die den 1856 eröffneten Bahnhof Luzern mit der Altstadt verband. Sie ermöglichte den direkten Zugang für Reisende, die vom Bahnhof in die historische Innenstadt gelangen wollten. Wird diese «ursprüngliche Funktion» durch den geplanten seltsamen Chlötzlibau und das Kappen der Verbindung zum Hirschengraben tatsächlich gestärkt? Ohne rot zu werden behaupten die von der LZ Interviewten überdies, die Anbindung an die Neustadt sei wichtig, und werde durch die Überarbeitung des Projekts mit mehr Transparenz und dem Treppenanbau verbessert. Verbessert gegenüber dem Status quo oder verbessert gegenüber einem von Anfang an misslungenen Projekt?
- Das Siegerprojekt binde das alte Theater in den Neubau ein, anstatt es abzureissen – obwohl die Wettbewerbsvorgaben genau das verlangt hatten. Die Kritik, dass das alte Theater nur noch Fassade sei und vom Neubau erdrückt werde, wischen die «Fachleute» einfach weg, getreu dem Motto, was nicht sein darf, ist auch nicht. Warum eigentlich nicht das bestehende Theater in Richtung Jesuitenkirche verdoppeln? Ist auch nicht weniger kitschig als das zur Abstimmung stehende Projekt – wenn schon Erhalt, dann doch gleich zweifach. Die Probleme, die das Projekt der Jesuitenkirche bereitet, werden zwar indirekt zugegeben, aber immerhin seien die Neubauten bei der Überarbeitung zurückgesetzt worden, um «die Jesuitenkirche und ihre Türme wirken zu lassen». Am besten wirken die Jesuitenkirche und ihre Türme allerdings bei einem Nein zum Projekt.
- Das offene Foyer biete Flexibilität und ermögliche öffentliche Nutzungen, ähnlich dem Bourbaki-Erdgeschoss. Es bietet auch eine vertikale Flexibilität (!!!). Die Idee der «Stadtloggia» mit Blick auf die Reuss sei ein Gewinn für die Stadt. Vermutlich meinen sie das ernst.
- Das wichtigste Argument, zumindest nach Auffassung der LZ, die es in den Titel genommen hat, ist offenbar die Tatsache, dass es sich beim Theater-Projekt nach der gescheiterten Salle Modulable bereits um den Plan B handle. Weshalb nicht noch einen Plan C?
- Die Befürworter des Projekts behaupten trotz gegenteiliger Beispiele, dass Luzern solche Projekte seriös realisieren könne. Ilg Santer Architekten seien kompetent. Sie hätten schon mehrfach bewiesen, dass sie komplexe Projekte erfolgreich umsetzen könnten. Da ist die Parlamentarische Untersuchungskommission Biozentrum (PUK) des Grossen Rats des Kantons Basel-Stadt allerdings anderer Meinung.
- Die drei «Experten» äussern sich in der LZ auch zum Thema Bausünden und Fehlnutzung. Als eine Bausünde empfinden sie nicht etwa das von ihnen hochgelobte neue Luzerner Theater (nLT) an der Reuss, sondern die Buobenmattüberbauung. Verglichen mit Ilg & Santner ist die Buobenmattfassade allerdings eine lässliche Sünde, ja als schwächelnder Postmoderner Versuch, irgendwo bei der Stadt des 19. Jahrhunderts anzuknüpfen, beinahe entschuldbar – verglichen mit der trivialen Klotzerei des Theaterprojekts. Der Theaterplatz ist in ihren Augen nicht mehr als eine Hundeversäuberungswiese und in dem 269 Jahre alten Ostflügel des Regierungsgebäudes neben der Jesuitenkirche – ehemaliges Jesuitenkolleg – sieht Dieter Geissbühler «ein richtiges Monster».
Experten, auf die man hören sollte?