Ein "finanzielles Grab" und "verpasste Chance"

Wettbewerbsvorgaben ignoriert?

Marco Yue

Ein Leser meldet sich mit deutlicher Kritik am geplanten Theaterneubau zu Wort. Er wirft dem Projekt vor, einen überholten Modernismus zu verherrlichen und die Vorgaben des Architekturwettbewerbs zu missachten.

Das neue Theater verherrlicht einen überholten Modernismus aus dem letzten Jahrhundert, der nur einer kleinen Elite gefällt, in einer Stadt, die weltweit für ihren Pittoresität berühmt ist. Es wäre nicht nur ein finanzielles Grab, sondern auch ein architektonische Bankrotterklärung.

Aus internen Kreisen kann ich folgendes berichten: Auf der ersten Seite des Architekturwettbewerbs für das neue Theater stand deutlich: „Erfolgte Planungsstudien (Testplanung und Machbarkeitsstudie) haben eindeutig aufgezeigt, dass ein betrieblich funktionierendes Mehrspartenhaus in einem Erweiterungsbau des bestehenden Theaters nicht möglich ist.“ Das bedeutet, dass das bestehende Theater durch einen Neubau ersetzt werden sollte.

Diese Vorgabe war für die über 128 teilnehmenden Büros bindend. Wer sich nicht an die Vorgaben hält, wird in der Regel vom Verfahren ausgeschlossen. Es ist daher wenig überraschend, dass nur 10 Büros den Mut hatten, Teile des bestehenden Theaters in ihren Entwürfen zu erhalten. Umso erstaunlicher ist es, dass drei dieser Büros in die zweite Phase des Wettbewerbs mit insgesamt 12 Teilnehmern kamen und eines davon schließlich den Wettbewerb gewann. Dabei ist die räumliche Anordnung des Siegerprojekts relativ naheliegend, und es ist fraglich, warum die beiden Teststudien im Vorfeld des Wettbewerbs zu dem Schluss kamen, dass das alte Theater abgerissen werden müsse.

Ich bin überzeugt, dass ohne die Vorgabe eines Ersatzneubaus die überwältigende Mehrheit der Wettbewerbsteilnehmenden das bestehende Theater in ihre Entwürfe integriert hätten, was zu einer größeren Vielfalt an Ideen geführt hätte. Mit Sicherheit wäre auch eine Lösung dabei gewesen, die wie von der Stadt gewünscht, möglichst viele Menschen angesprochen hätte.

Die traurige Bilanz: Wettbewerbskosten von 2,45 Millionen Schweizer Franken und ein Theater, das praktisch niemandem gefällt (Und nein, es wird nicht so wie beim Eiffelturm sein, der zu Beginn auch unbeliebt war.) Ein Theater für alle? Ja, für alle zu bezahlen – aber das war’s dann auch schon.